13.04.2015
Fotos des Kiezspaziergangs des Rixdorfer Kiezforums am 11. Oktober 2014. Dieses Mal haben wir insbesondere Noch-Brachflächen und aktuelle Baustellen besucht. Zum Abschluss gab es Suppe im „Linus“.
13.04.2015
Fotos des Kiezspaziergangs des Rixdorfer Kiezforums am 11. Oktober 2014. Dieses Mal haben wir insbesondere Noch-Brachflächen und aktuelle Baustellen besucht. Zum Abschluss gab es Suppe im „Linus“.
Die viel umworbene Bürgerschaft Neuköllns durfte sich 2014 mit Platzumbennung und „künstlerisch-partizipativer“ Platzverschönerung beschäftigen, das alles im Dienste einer Standortförderung, die die Karl-Marx-Straße zum „neuen Geschäftszentrum Neuköllns“ machen soll.
Die sog. Lenkungsgruppe hat die Funktion, den bereits weit im Vorfeld festgeklopften Aufwertungsstrategien von Bezirk und Senat den Anschein von „Bürgerbeteiligung“ zu verleihen — und die damit einhergehende Verdrängung einkommensschwacher Anwohner*innen im Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße (und darüberhinaus) zu legitimieren.
Werner Brunner, einer der am Wandbild beteiligten Künstler der „Gruppe Ratgeb“, erläutert uns höchstselbst Hintergründe, Entstehungsgeschichte und politische Brisanz des Werks.
Im Rahmen der Maßnahme „Kunst am Bau“ wurde die Gestaltung an die nach Jerk Ratgeb, (einem zeitkritischen spätmittelalterlichen Maler, der wegen seiner Teilnahme am Bauernaufstand von 1525 ermordet wurde) benannte Künstlergruppe vergeben.
Das Motiv des Wandbildes zeigt die Geschichte der aus Glaubensgründen aus ihrer böhmischen Heimat vertriebenen Menschen. Der Zug der Einwanderer*innen wandert bildlich aus der Geschichte auf die Bühne der Gegenwart. Zu einem politischen Eklat führten eine auf die Tuba gemalte Anti-Atom-Plakette sowie das Symbol der Instandbesetzer*innen auf dem Rücken der Person, die auf die Bühne klettert — eine Reminiszenz an dem im Jahr der Fertigstellung des Gemäldes getöteten Klaus Jürgen Rattay, der 1981 im Zusammenhang mit einem vom Innensenator Heinrich Lummer durchgeführten Polizeieinsatz zur Räumung von mehreren besetzten Häusern in Berlin ums Leben kam. Die geplante Weiterführung des Gemäldes auf die angrenzende Hauswand wurde (vermutlich nicht nur) aus finanziellen Gründen untersagt.
Geplant ist ein Gebäude mit 11 Wohnungen. Ein Deal mit dem Bauamt führte dazu, dass die Gruppe mehr qm bauen darf als der Bebauungsplan vorgibt; im Gegenzug verpflichtet sie sich dazu, die Pflege des angrenzenden Spielplatzes zu übernehmen. In der Ankündigung schreibt die Gruppe: „Der Stadtteil wird in den kommenden Jahren eine weitere Veränderung zum Positiven erfahren, ohne seinen bisherigen Charakter zu verlieren, was wir sehr begrüßen“ und bewirbt ihren Standort wie folgt: „Das direkt angrenzende, niedriggeschossige ‚Böhmische Dorf‘ stellt nicht nur ein unverbaubares Gegenüber dar, sondern verbreitet auch ein nahezu dörfliches Flair“. Bebauungsstand: Baugrube ist ausgehoben.
Ein Mix von 60% Genossenschaftswohnungen und 40% Eigentumswohnungen (Zielmarke: 2.000 €/qm) ist in Planung, 40 Wohneinheiten sollen entstehen. Im Erdgeschoss sollen soziale Einrichtungen unterkommen. Das Gelände bleibt in Besitz der evangelischen Kirche (Erbpacht). Vorsichtshalber stellte sich eine eigens gegründete AG „Kiez und Öffentlichkeit“ den Persilschein „verdrängunsgfrei“ aus. Bebauungsstand: Eine Baugrube konnte noch nicht ausgehoben werden — die Baugenehmigung wurde abgelehnt.
Die versteckte Grünfläche entstand in den 80er Jahren im Rahmen einer Wohnbebauung. Eigentümerin der Fläche ist die Stadt, zuständig dafür ist eine Hausverwaltung. Interventionen von diversen QM-Projekten waren nur von kurzer Dauer. Im letzten Jahr eigneten sich auch Guerillagärtner*innen einen kleinen Teil der Fläche an. Aktueller Zustand: Wildwuchs, Spielfläche für Kinder, Treff von Jugendlichen, Auslauffläche für Hunde.
Auf dem Gelände der Bahn wurde in den 50er Jahren eine Eisbahn betrieben. Später entstand ein öffentlicher Spielplatz unter der Zuständigkeit des Grünflächenamtes, der aber mehr und mehr verwahrloste. Das Gelände wurde 2013 an einen privaten Investor verkauft. Seitdem blieben die Zugänge für das Gelände dicht – bis eine Gruppe von Anwohner*innen den Park wieder für alle zugänglich machte. Auch Drogenabhängige nutzten das Gelände. Der Bezirk strengt derzeit ein Enteignungsverfahren an, um das Gelände weiter für eine öffentliche Nutzung zu erhalten. Mal sehen, was der Anwohnerschaft für Nutzungsmöglichkeiten und -aktionen einfallen.
Das bezugsfertige Gebäude mit seinen 24 Wohnungen grenzt sich mit seiner kompakten Bauweise, mit hohen Mauern und massiven Metallzäunen stark von der Nachbarschaft ab. Die Eigentümer*innen konnten sich zwischen verschiedenen Ausbaustufen entscheiden und bezahlten beispielsweise für eine 100 qm große Wohnung mit einfacher Ausstattung 200.000 €. Allein der Umstand, dieses Kapital aufgebracht zu haben, sehen die Eigentümer*innen als „Beitrag für eine kulturelle und soziale Stadtentwicklung“.
Rund 2/3 der Häuser rund um den Böhmischen Platz sind in den letzten zwei Jahren verkauft worden. Erste Gewerbemieter*innen mussten ihre Geschäfte aufgeben. In mindestens einem Haus hat die Eigentümerin angefangen die Wohnungen als Eigentumswohnungen zu verkaufen. Der Preis soll bei 2000 € pro qm im unsanierten Zustand liegen.
Kiezkneipe und regelmäßiger Treffpunkt des Kiezforums. Es gab abschließend leckere Suppe und interessante Gespräche zwischen den am Kiezspaziergang Teilnehmenden.